16.03.2012 22:28
Wenn man in den Romanen des 1964 im bayrischen Freising geborenen Autors Wolfgang Brunner liest,
bemerkt man sofort seine Vielfalt: zwei noch am ehesten im Fantasybereich angesiedelte Bücher, ein All-Age-Abenteuer, ein Horror-Roman und zuletzt eine historische Mystery-Liebesgeschichte.
Außerdem wirkte Brunner noch in zwei unterschiedlichen Anthologien mit, wo er zum einen ein Horrorszenario und
zum anderen eine einfühlsame Liebestragödie beisteuerte.
„Ein Autor mit vielen Seiten“, schreibt das Bocholter Borkener Volksblatt, eine der großen Tageszeitungen im
nordrhein-westfälischen Deutschland.
Brunner fühlt sich in allen Genres wohl und beweist das immer wieder aufs Neue.
Der in München aufgewachsene Schriftsteller, der mittlerweile am Niederrhein nahe der holländischen Grenze
lebt, beantwortete der Jedlersdorfer Rundschau einige Fragen und schildert unter anderem auch seine Begegnung mit Michael Ende, dem Autor der „Unendlichen Geschichte“, der auch in Österreich mit
diesem Buch beachtliche Erfolge verzeichnen konnte.
Jedlersdorfer Rundschau: Michael Ende zu treffen, war mit Sicherheit ein besonderes Erlebnis.
Wie war die Begegnung und was fasziniert Sie als Autor so an seinen Büchern?
Brunner: Ich traf Ende eher zufällig nach einem Zahnarztbesuch in der Sendlinger Straße in
München, wo der Autor seinerzeit wohnte. Wir unterhielten uns ein wenig und er bot mir an, meine unvollständigen Manuskripte bzw. Gedichte zu lesen. Seinen handgeschriebenen Antwortbrief, der
übrigens auf meiner Homepage zu sehen ist, halte ich noch heute in Ehren.
Was ich an Michael Ende mag, lässt sich relativ einfach erklären: er war vielfältig! Von Theaterstücken und
Gedichten über Kinder- und Jugendbücher verfasste er auch „Erwachsenen“-Literatur. Das mochte ich schon immer, wenn jemand sich nicht in eine Richtung lenken ließ und lässt, und das führte auch bei
mir dazu, mich keinem bestimmten Genre zu unterwerfen.
Besonders Endes Geschichtensammlung „Der Spiegel im Spiegel“ hat es mir angetan. In diesem Buch hat er die
surrealistischen Gemälde seines Vaters Edgar Ende in Worte gefasst und das hat mir sehr imponiert. Endes Ideenreichtum war und ist noch immer sehr beeindruckend.
Jedlersdorfer Rundschau: Ihr Debüt beschäftigt sich mit dem Tod bzw. einem Leben nach dem
Tod. War das nicht ein wenig mutig, sich gerade beim Erstling an ein Thema zu wagen, das von den meisten Menschen unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert wird?
Brunner: Sicherlich ist es ein nicht einfaches Thema. Aber ich habe in meiner
Cryptanus-Reihe versucht, dem Tod den Schrecken zu nehmen. Aktuelle Erkenntnisse der Sterbeforschung fließen in die Handlung ebenso mit ein wie Trauerbewältigung oder philosophische Gedanken über den
Sinn des Lebens. Ich wollte mit dieser Romanserie die Angst vor dem Tod nehmen und wenn ich den Äußerungen einiger Leserinnen und Leser Glauben schenken darf, dann ist mir das wohl auch gelungen.
Ehrlich gesagt, habe ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, ob sich dieses Thema für ein Debüt eignet oder nicht.
Die Themen „Sterben“ und „Tod“ beschäftigen mich nunmehr seit über zwei Jahrzehnten. Der Gedanke, dass es
keinen tieferen Sinn für unser Leben geben sollte, ließ mich schon als Jugendlicher nicht in Ruhe. Ich las Standardwerke von Raymond A. Moody und Elisabeth Kübler-Ross und drang dadurch immer tiefer
in diese Thematik ein. Auch die Bücher des bekannten Sterbeforschers Bernard Jakoby, mit dem ich mittlerweile befreundet bin, stießen auf mein Interesse.
Jedlersdorfer Rundschau: Danach erschienen der All-Age-Fantasyroman „Kim Schepper und die
Kinder von Marubor“, der zweite Teil der Cryptanus-Reihe und ein Horror-Thriller, der in einem Nachtzug spielt, der mitten in einem Schneetreiben liegenbleibt und von aus einem Gen-Labor
ausgebrochenen Bestien angegriffen wird. Ihr zuletzt erschienener Roman „Die Weiße Frau“ behandelt eine Legende aus ihrer Wahlheimat Hamminkeln am Niederrhein. Wie kamen Sie darauf, diese Sage in
einem Roman zu verarbeiten?
Brunner: ich stieß bei Recherchen zu meinem Roman „Nachtzug“ auf diese Legende. Da
das Schloss, in dem die besagte „Weiße Frau“ umherspuken soll, in unmittelbarer Nähe war, ich konnte zu Fuß hingehen, interessierte ich mich immer mehr für diese Geschichte und begann, nach Details
zu suchen.
Es stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach war, Näheres über diese Geschichte herauszufinden.
Dennoch ließ mich die Legende nicht los und als ich die Arbeiten zu „Nachtzug“ abgeschlossen hatte, beschloss ich, der Legende einen Namen und eine schlüssige Geschichte zu geben. So vermischte ich
die spärlichen historischen Begebenheiten mit einer erfundenen Liebesgeschichte.
Die Reaktionen der Bevölkerung waren durchweg positiv und mittlerweile stößt die Geschichte auch über die
regionalen Grenzen hinaus auf Interesse. Mein Roman ist ja auch nicht unbedingt an die hiesige Legende gebunden. „Weiße Frauen“ gibt es auf der ganzen Welt und viele Geschichten gleichen sich in
einigen Dingen, sodass meine „Weiße Frau“ durchaus jedem gefallen könnte, der sich für solcherart Erzählungen begeistert.
Wilkie Collins, ein Freund von Charles Dickens, schrieb einen Roman mit dem Titel „Die Frau in Weiß“,
Andrew Lloyd Weber vertonte die Geschichte als Musical und in der Pilotfolge der Serie „Supernatural“ geht es ebenfalls um die Legende einer „Weißen Frau“.
Jedlersdorfer Rundschau. Wie kommen Sie auf Ihre Ideen? Geschieht dies beim Schreiben
oder gehen Sie nach einem Konzept vor?
Brunner: Das ist ganz verschieden. Oft sitze ich abends auf dem Sofa und ohne
Ankündigung zuckt eine Gedanke auf, der mich zu einer neuen Geschichte inspiriert. Dann sind es wieder Nachrichten oder Begebenheiten aus dem Alltag, die mir eine Idee verschaffen. Ich habe
Notizbücher, die voll mit solchen Eingebungen sind. Manchmal sind sie schon einem bestimmten Projekt zugeordnet, manchmal stehen sie auf beliebigen Seiten oder Zetteln und warten noch darauf, für
welche Geschichte ich sie auswähle. Ich denke genau genommen den ganzen Tag über aktuelle oder geplante Projekte nach, formuliere Sätze oder Szenen in Gedanken aus und überlege, wie sich eine
Geschichte entwickeln könnte. Die Ideen kommen irgendwie von ganz alleine zu mir, ich muss sie dann nur noch in die passende Story einbauen.
Sicherlich liegt bei der Umsetzung einer Idee erst einmal ein grobes Handlungsgerüst, also ein Konzept,
vor. Meistens plane ich den Aufbau der Geschichte, die Rahmenhandlung und den Schluss. Während des Schreibens passiert allerdings viel! Persönliche Dinge des Alltags spielen ebenso eine Rolle wie
Ereignisse, die in der Welt geschehen, und steuern manchmal das Verhalten der Protagonisten, lenken die Geschichte in eine vollkommen andere Richtung als geplant und machen dadurch Teile des Konzepts
wieder zunichte. Schreiben ist, wie Lesen, ein unglaubliches Abenteuer.
Jedlersdorfer Rundschau: Welche Rituale gibt es, wenn Sie schreiben?
Brunner: Da gibt es eigentlich nur eines, aber das ist äußerst wichtig!
Ich brauche einen Kopfhörer und Musik, denn … ohne Musik gibt es keinen Roman! Ich habe schon versucht,
ohne musikalischen Hintergrund zu schreiben, aber es funktioniert nicht. Musik ist eine für mich unerschöpfliche Inspirationsquelle. Wenn das Konzept für einen neuen Roman steht, stelle ich mir zwei
oder drei CDs mit Musiktiteln zusammen, die die Stimmung und den Geist der Geschichte für mich wiedergeben. Diese CDs höre ich dann während der gesamten Zeit, die ich für den Roman benötige, laut auf
Kopfhörern. Diese Musikstücke bedeuten für mich dann immer wieder aufs Neue eine „Heimkehr“ in die Story und vermitteln mir ein „Zurück nach Hause“-Gefühl.
Dabei spielen Lieder von Progressive Rock Bands wie Dream Theater, Pain of Salvation, Avenged Sevenfold,
Sonata Arctica, Moongarden, Sylvan, RPWL und Jupiter Society, um nur einige zu nennen, eine wichtige Rolle. Aber auch elektronische Musik von Tangerine Dream, Pyramid Peak oder Can Atilla oder
Filmmusiken von Ramin Djawadi, Hans Zimmer, Ennio Morricone, James Horner oder Jerry Goldsmith haben ihren Platz.
Für mich gilt eindeutig: keine Musik – keine Geschichte!
Jedlersdorfer Rundschau: Sie sind in Bayern geboren, in München aufgewachsen und zogen
vor knapp zwölf Jahren nach Berlin. Mittlerweile leben Sie in Hamminkeln am Niederrhein. Was verschlug sie dorthin und was schätzen Sie an dieser Region?
Brunner: Der Weg von Berlin nach Hamminkeln führte über ein großes
Nichtraucher-Portal im Internet, bei dem ich meine Lebensgefährtin kennenlernte. Ein Wechsel des Aufenthaltsortes war irgendwann nicht mehr zu vermeiden … und nun lebe ich in diesem Teil
Deutschlands.
Ruhe und Natur kommen mir als Autor sehr entgegen. Beides finde ich in dieser Region, was mir zu meiner
privaten Zufriedenheit auch noch eine berufliche beschert.
Jedlersdorfer Rundschau: Wann haben Sie mit dem Schreiben überhaupt begonnen? Was war der
Auslöser?
Brunner: Ich habe bereits im Alter von 12 Jahren kurze Geschichten geschrieben.
Anfang der 80er Jahre versuchte ich mich dann an einem Science Fiction Roman. Diese Handlung geistert mir noch heute im Kopf herum und ich habe den Anfang bereits umgeschrieben. Schon als Kind habe
ich viel gelesen und wurde von Autoren wie Michael Ende, Richard Adams, Tolkien und Stephen King beeinflusst. Da war es nicht weiter verwunderlich, dass ich eines Tages selbst Geschichten zu Papier
bringen wollte.
Der echte Auslöser war allerdings dann die Begegnung mit Michael Ende.
Jedlersdorfer Rundschau: Danke für die ausführlichen und informativen Antworten. Die
Jedlersdorfer Rundschau wünscht Ihnen weiterhin noch viel Erfolg.
Bibliografie:
Cryptanus - Der Geruch des Todes. Projekte Verlag, Halle 2009, ISBN: 978-3866347717
Kim Schepper und die Kinder von Marubor. Noel Verlag, Oberhausen 2010, ISBN: 978-3940209511
Cryptanus - Das Geheimnis von Griphus Nix (Zweiter Teil des Cryptanus-Zyklus). Noel-Verlag, Oberhausen 2011, 360 S., 17,80 €,
ISBN: 978-3-940209-95-5
Problem, Reaktion, Lösung. Kurzgeschichte. In: Navi des Grauens. Anthologie. Pia Bächtold Verlag, Wangen 2011, 351 S., 13,50 €,
ISBN: 978-3940951694
Tanz ohne Tänzer. Kurzgeschichte. In:Das Haus am Zeilenweise-Platz, Verlag Edition Doppelpunkt, ISBN 978-3937950983
Nachtzug. Roman. Pia Bächtold Verlag, Wangen 2011, 468 S., 14,99 €, ISBN: 978-3-940951-79-3
Die Weiße Frau - Eine Legende vom Schloss Ringenberg aus Hamminkeln. Pia Bächtold Verlag, Wangen 2011, 426 Seiten, EUR 14,99,
ISBN: 978-3-940951-82-3
Unter www.wolfgangbrunner.de finden Interessierte viele Informationen über den Autor und seine Werke.
Das Interview wurde geführt von der Jedlersdorfer Rundschau.